Eine Liebe, zwei Welten – Fernbeziehungen

Die einen Paare trennen sich wochentags wegen des Jobs. Andere Liebende finden sich gleich online. Beide stehen vor demselben Problem: Es sind nun einmal Fernbeziehungen. Doch ohne körperliche Anwesenheit geht es bislang nicht. Und so stellen Fernbeziehungen viele Paare vor ganz besondere Herausforderungen.

Fernbeziehung – das bedeutet: Immer wieder von einem Ort zum nächsten reisen, nur um den anderen für ein bis zwei Tage sehen zu können. Doch nicht allen Beteiligten reicht es, die Beziehung auf maximal zwei von sieben Tagen zu komprimieren.

Fernbeziehungen: Nicht Jedermanns Sache

Schließlich brauchen die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft, um sich überhaupt auf eine Fernbeziehung einzulassen. Demgegenüber steht wiederum die Angst, das bisherige Leben aufzugeben und woanders etwas Neues zu beginnen.

Manchmal sind es auch anderweitige Verpflichtungen – ein lukrativer Job, Freunde oder Familie – die Menschen an einem Ort halten. Auch in diesem Fall dürfte sich eine Fernbeziehung als problematisch erweisen.

Natürlich sind Fernbeziehungen möglich, aber allein die äußeren Umstände sind nicht Jedermanns Sache. Wer damit nicht umgehen kann oder will, sollte lieber Abstand von der Liebe auf Distanz nehmen.

Sind Sie flexibel?

Wer sich aber darauf einlässt, braucht ein Mindestmaß an Flexibilität. Und auch, wenn man täglich telefoniert, chattet oder E-Mails austauscht – eine  “normale” Beziehung stellt sich über die Entfernung nicht so schnell ein.

Fatal ist auch die Hoffnung, alles, was man in fünf Tagen miteinander verpasst hat, auf zwei Tage am Wochenende pressen zu können: Gemeinsam einkaufen, ausgehen, Candlelight-Dinner, kuscheln, Sex – und alles, bitte schön, ganz toll und immer phänomenal.

Erwartungen herunterschrauben

Wer mit derlei Erwartungen in eine Fernbeziehung geht, kann eigentlich nur enttäuscht werden. Schließlich lässt sich der Alltag ab Freitagabend nicht immer einfach ausblenden:

Manch einer sitzt mit zwiegespaltenen Gefühlen am gemeinsamen Frühstückstisch, weil er besser allein über seinen Fachbüchern hocken sollte. Den anderen lässt der Stress mit den Mitbewohnern in der Heimat-WG nicht los usw.

Auch ein Phase des “Fremdelns” ist nicht ungewöhnlich: Zuweilen benötigen beide Partner etwas Zeit, um sich nach fünf Tagen als “Single” wieder mal an die Anwesenheit des anderen Menschen zu gewöhnen.

Dagegen hilft nur: Die Erwartungen von vorn herein herunterschrauben. Schließlich kann nicht jeder Samstag ein Höhepunkt des Wochenendes werden.

Konfliktpotenzial

Ansonsten drohen kleine oder größere Konflikte, die die erhoffte Wochenend-Harmonie endgültig zerstören. Gerade Partner, die sich aufgrund der Distanz noch nicht allzu lange kennen, werden von den Macken und Reaktionen des anderen eventuell mehr verunsichert als Paare, die im Umgang miteinander geübter sind.

Dazu gehört es auch, den anderen zunächst einmal so zu akzeptieren wie er ist: Nicht jeder hat von Anfang das gleiche Nähe-Bedürfnis, nicht jeder steht auf stundenlanges Telefonieren oder verfasst seitenlange romantische E-Mails.

Denn Streitigkeiten sind die denkbar schlechteste Voraussetzung, um in eine neue Woche zu starten. Und eine im Kern vielleicht unwichtige Angelegenheit erst Tage später klären zu können, macht die Sache auch nicht kleiner.

Eher im Gegenteil. Besser, man bereinigt Dinge sofort oder einigt sich darauf, beim nächsten Treffen darüber zu reden. Offener Streit kurz vor der Abreise ist jedoch tunlichst zu vermeiden.

Spontan sein

Andererseits: Wo Alltag und Routine fehlen, nutzt sich eine Beziehung nicht so schnell ab. Schließlich kann es für die Beziehung ganz belebend sein, den anderen unter der Woche zu vermissen. Wichtig ist nur, dass die Distanz und die Sehnsucht nicht die Oberhand gewinnen.

Stattdessen können kleine Gesten können dazu beitragen, diese Beziehung auch über die Entfernung zu festigen. Das kann spontan geschehen, zum Beispiel mit einem altmodischen Brief – und sei er noch so kurz – oder einer hübschen, witzigen oder sonstwie passenden Postkarte. Nur, um dem anderen zu zeigen, dass man an ihn denkt.

Positive Routine

Auch, wenn viele Menschen dem Wort “Routine” eine negative Bedeutung beimessen, so erfüllt sie doch einen Zweck: Erwartbare Ereignisse schaffen eine gewisse Sicherheit – und damit Vertrauen in die Beziehung. Dazu gehört die “Bin-heil-angekommen”-SMS ebenso wie Verabredungen zum regelmäßigen Telefonieren oder zum gemeinsamen Joggen.

Unter der Woche jedoch gilt: Leben Sie nicht von einem Wochenende zum nächsten. Pflegen Sie stattdessen weiterhin ihren Freundeskreis und gehen Sie ihren Lieblingsbeschäftigungen nach. Besonders, solange die Beziehung noch auf wackeligen Beinen steht.

Sich auf Gewohnheiten und Menschen von “davor” zu besinnen, verschafft Halt. Ansonsten reißt es einem im Falle einer Trennung schnell den Boden unter den Füßen weg.

Umzug: Gemeinsamer Haushalt oder getrennt?

Ob und wie das Experiment “Fernbeziehung” auf Dauer gelingen kann, hängt natürlich von den Akteuren und ihren Einstellungen ab. So kann die Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft dem organisatorischen Aufwand dieser Verbindung einen Sinn geben.

Klar: Unabdingbar dazu ist ein Ortswechsel. Sei es, dass ein Partner in die Stadt des anderen zieht oder man gemeinsam von vorn beginnt. An dieser Stelle heißt es jedoch: Nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen.

Die vernünftigste Lösung ist es indes, in derselben Stadt, aber in verschiedenen Wohnungen zu leben. So haben Sie Zeit, das gegenseitige Wochenend-Image zu einem alltagstaugliches Bild zu korrigieren. Sie können sich sehen, wann Sie wollen, erhalten sich aber auch den eigenen Rückzugsraum.

So bleibt immernoch genügend Raum und Zeit, die “neue” Beziehung auf ein solides Fundament zu stellen und, davon ausgehend, gemeinsame Ziele zu definieren.

Fabian Köhler