Speed Reading – Schneller lesen, mehr verstehen

Kennen Sie das: Sie sitzen über einem Fachbuch und können sich einfach nicht darauf konzentrieren? Der Stoff will einfach nicht in den Kopf? Frustriert blättern Sie zurück und fangen noch einmal an. Wenn Ihnen angesichts des Textes sogar die Augen zufallen, kann es einen Grund geben: Sie sind unterfordert.

Das wird den meisten erst bewusst, wenn die Gedanken abschweifen und die Konzentration nachlässt. Wer dagegen schneller liest, hält Sehnerv und Hirn auf Trab – und versteht mehr. Darum geht es beim “Speed Reading” (dt. “Schnelllesen”).

Turbolesen im Trend

Und das kann man lernen, zum Beispiel in der Volkshochschule, aber auch online. Interessenten stoßen dabei auf ganz unterschiedliche Bezeichnungen – von “PowerReading” (auch “Speed”, “Alpha”, “Scan” etc.) bis Turbolesen.

Doch, wie auch immer es heißt: Schnelllesen trägt der offensichtlichen Beschleunigung des täglichen Lebens Rechnung, das geprägt ist von High Speed Datenverbindungen und Hochleistungs-Prozessoren, kurzlebigen Trends sowie rigiden Deadlines für Studium und Job.

Vom rasanten technischen Fortschritt mal ganz abgesehen: Newsletter und RSS-Feeds, Tweets und Likes, Werbung und Magazine buhlen tagtäglich um unsere Aufmerksamkeit. In dieser Informationsflut Wichtiges von Unwichtigem, Nutwertes von Datenmüll zu unterscheiden, wird immer schwieriger (und daher immer wichtiger).

Der Student, der sich, umzingelt von Stapeln von Büchern, allein aus Lust an der Materie in die Niederungen der Wissenschaft begibt, wirkt dagegen antiquiert wie ein Gemälde von Spitzweg. Doch auch, wenn das menschliche Gehirn nachweislich mehr “kann” als manch ein Besitzer ihm zutraut – so stringent wie ein Computer arbeiten wird es wohl nie .

Schnelllese-Techniken

Im Gegensatz zum Rechner lassen sich beim Lesen Emotionen, Erinnerungen, Assoziationen und die aktuelle körperliche Verfassung während des Arbeitens nicht ausklammern. Das macht das Verarbeiten (sprich: Verstehen) von Informationen auch so kompliziert.

Aber, man kann es trainieren –  zur Not ohne kostenaufwändige Speedreading-Workshops. Hier die wirksamsten Techniken für schnelleres Lesen.

Konzentration üben

Texte schnell zu lesen (und zu verstehen) fordert Ihre unteilte Aufmerksamkeit. Daher: Trainieren Sie regelmäßig, sich zu konzentrieren. Hören Sie z.B. Wortbeiträge im Radio bewusst (!) leise. Setzen Sie sich ein zeitliches Limit (ab 10 Minuten). Wenn Ihnen das ganz gut gelingt, weiten Sie die Zeitspanne aus.

Oder zählen Sie während dessen bestimmte Wörter (z.B. “oder”). Verfahren Sie ähnlich mit geschriebenen / gedruckten Texten: Zählen Sie bestimmte Buchstaben (z.B. “k”) auf einer Zeitungs-Seite.

Lösen Sie Kreuzworträtsel gegen die Zeit. Oder versuchen Sie, spiegelverkehrt zu schreiben: anfangs nur Ihren Namen, dann mehrere Wörter, anschließend mehrere Zeilen.

Darüber hinaus haben auch übergreifende Faktoren wie Ernährung, Bewegung und Schlaf unmittelbaren Einfluss auf die Fähigkeit, sich zu konzentrieren.

Viel lesen

Dass Lesen sowohl bildet als auch unterhält, ist ja kein Geheimnis. Auch, wenn Sie Ihre Leseleistung steigern wollen, heißt die wichtigste Regel: Lesen Sie. Und zwar so viel und häufig, wie Sie Spaß daran haben.

Will ein Sportler Wettkämpfen teilnehmen, muss er beharrlich trainieren. Der (persönliche) Erfolg ist dann nur eine Frage der Zeit. Genauso regelmäßig sollten Sie in Büchern, Magazinen, Zeitungen etc. stöbern. Dabei verbessert sich Ihr Lesetempo automatisch.

Querlesen

Auch, wenn es anfangs schwerfällt: Schalten Sie das “Denken” ab. Überfordern Sie Ihr Gehirn nicht damit, jedes Wort einzeln verstehen zu wollen, sondern erfassen Sie nur Sinneinheiten.

Probieren Sie zum Beipiel | einen Text von  | drei bis vier Wörtern | zu erfassen. | Streifen Sie | mit den Augen | durch die einzelnen Zeilen | wie ein Bühnen-Scheinwerfer.

Einfache, kurze Texte (z.B. Zeitungs-Artikel) werden damit lediglich überflogen. Trotzdem werden Sie verstehen, worum es geht.

Auch kompliziertere Texte (wissenschaftliche Essays) erschließen Sie sich am besten, wenn Sie sie im ersten Durchgang nur querlesen. Verschaffen Sie zunächst einen Überblick über die grobe Struktur: Gliederung, Zwischenüberschriften, Schlüsselwörter etc.

So sinkt außerdem die Gefahr, “auf halber Strecke” zu ermüden. Erst im nächsten Schritt benutzen Sie z.B. Textmarker, um einzelne Passagen als wichtig (und merkenswert) herauszuheben.

Mut zur Lücke

Wenn Sie das Text-Gerüst kennen, erfassen Sie auch, welche Passagen Ihrer persönlichen Fragestellung nützlich ist – und was Sie bei der Recherche getrost überspringen können. Das gilt besonders für wissenschaftliche Texte: Detailgenaue Versuchsanordnungen, fachliche Rechtfertigungen, Implikationen einer These… für die meisten Studierenden ist das ohne Nutzen.

Häufig können Sie über derlei Absätze hinweg gehen. Ausnahme: Lehrbücher. Schließlich bauen die meisten Lektionen inhaltlich aufeinander auf (Bsp. Sprachkurse).

Wortschatz erweitern

Wer Texte mühelos erfassen will, muss natürlich möglichst alle Wörter kennen. Gerade aber bei wissenschaftlichen Texten ist die Fremdwort-Dichte besonders hoch. Legen Sie sich deshalb Zettel und Stift neben Ihre Lektüre.

Notieren Sie hier alles, was Ihnen unbekannt ist. Erst nach der Lektüre recherchieren Sie die Bedeutung. Damit vergrößern Sie Ihren (Fach-)Wortschatz bzw. vermeiden, in Zukunft über dieselben Wort-Hürden zu stolpern.

Weiterlesen

Mal ehrlich: Merken Sie sich im Kino jeden Dialog? Wohl kaum. Stattdessen erschließt der “Sinn” des ganzen Films im Zusammenhang. Genauso sollten Sie mit Texten vorgehen: Folgen Sie dem Textfluss.

Vermeiden Sie, zurückzublättern oder auch nur einen Absatz zurückzuspringen. Gerade bei längeren Texten kostet das nicht nur Zeit, sondern ermüdet auch Augen und Gehirn. Auch mitsprechen ist in diesem Sinne kontraproduktiv.

Verbalisieren ist zusätzliche “Arbeit” für Ihr Gehirn – und daher unnötig.

“Dialog” mit dem Text

Auch, wenn es um Geschwindigkeit geht: Machen Sie Randbemerkungen. Treten Sie in den Dialog mit dem Text. Notieren Sie Fragen (oder was Ihnen sonst zum Gelesenen einfällt): “s. Abschnitt 2” oder auch nur “Beispiel???”.

Das verlangsamt das Tempo zwar zunächst. Über die Erinnerung an Emotionen während des Lesens verschaffen Sie sich im Nachhinein wieder einen Zugang zum Inhalt.

Verbildlichen

Das gleiche gilt für Bilder, die Ihnen während des Arbeitens in den Sinn kommen. Je lebendiger Sie den Inhalt im Kopf haben, desto einfacher können Sie im Nachhinein darauf zurückgreifen. Oder: Versuchen Sie es doch einmal mit einem eigenen Modell.

Lesen gegen die Uhr

Setzen Sie sich ein zeitliches Limit, wenn Sie sich einen Text vornehmen. Lesen Sie notfalls gegen die Uhr. Damit lässt sich einschätzen, wieviel Sie aktuell schaffen bzw. erhöhen Sie allmählich den Zeitdruck. Damit zwingen Sie sich selbst zur Konzentration und lernen, Ablenkungen auszublenden.

Motivieren Sie sich ggf. mit Dingen, die Sie mit der gesparten Zeit anfangen möchten.

Informationen sacken lassen

Sie wollen 30 Seiten in einer Stunde schaffen? Sehr gut, jedoch sollten Sie Ihr Gehirn (besonders als Speed Reading-Einsteiger) nicht überfordern. Sonst fällt es in Langsam-Lese-Modus zurück.

Lesen Sie lieber nur 45 Minuten. Anschließend legen Sie eine viertelstündige Entspannungs-Pause ein, um das Gelesene gedanklich zu verarbeiten. Dann wieder eine dreiviertel Stunde lesen usw.  Auch ein kurzes Nickerchen ist ok (Wichtig: Wecker stellen)!

Schließlich kann nur ein waches Hirn auf Dauer Leistung bringen.

Lese-Umgebung

Aber auch die Lese-Umgebung hat einen Einfluss auf Ihre Konzentration. Um zu vermeiden, dass Sie während der Lese-Phasen ermüden, sollten Sie sich an folgende Tipps halten:

  • Sorgen Sie für ausreichende Beleuchtung.
  • Sitzen Sie aufrecht. Bequeme Haltung = “Entspannungs-Befehl” an den Körper.
  • Abstand zwischen Augen und Text: ca. 50 cm.
  • Ideal: Text (bei aufrechter Sitzposition) gegenüber dem Blickfeld
  • Gegebenenfalls Lesestütze verwenden.

Weiterführende Links

Studienstrategien – Tipps für erfolgreichen Studieren
Zeitblueten
– Blog zu Zeitmanagement und Arbeitsmethodik
Improved Reading – Lesetraining, welches vor, während und nach dem Training die effektive Leseleistung misst

Fabian Köhler