Die hohe Kunst des Müßiggangs
Als Student steht man ständig unter Strom. Die Stundenpläne sind prall gefüllt, in der kargen Freizeit muss der Stoff verinnerlicht und Hausarbeiten und Referate vorbereitet werden. In Prüfungszeiten rauchen die Köpfe, und ganz nebenbei müssen die meisten Studenten sich in Mini- und Midijobs den Lebensunterhalt sichern. Nicht wenige sind sogar als studentische Mitarbeiter in Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 20 Stunden tätig. Der Stress fordert seinen Tribut. Viele fühlen sich ausgelaugt, angespannt und unter Druck. Die Folgen sind Schlaf- und Appetitlosigkeit, Konzentrationsprobleme und ein geschwächtes Immunsystem. Ganz zu schweigen von dem allgemeinen Gefühl der Überforderung.
Neben gesunder Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Schlaf ist es dabei wichtig, dem Körper und vor allen Dingen dem Geist Auszeiten zu gönnen. Doch die meisten Menschen wissen gar nicht mehr, was es überhaupt heißt, mal nichts zu tun. Dabei lehrt uns die buddhistische Zen-Lehre, dass Nichtstun alles sein kann. Losgelöst von solchen spirituellen Ansätzen lässt sich sagen: Nichts zu tun, die Seele baumeln zu lassen für einen kurzen Moment am Tag bringt neue Energie, stärkt das Immunsystem und steigert die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden.
Kleiner Überblick über die Lehre des Zen
Zen ist eine Strömung des Mahayana-Buddhismus, der im 5. Jahrhundert in China entstanden ist. Neben den philosophisch-religiösen Denkansätzen des Zen besteht ein wichtiger Aspekt darin, sich dem Nichts zu öffnen und das Leben ins seiner vollen Fülle zu leben. Es soll sich hierbei frei von allen Gedanken und Anforderungen gemacht werden, im Zentrum steht der eigene Körper inmitten des Universums. Zen führt zu nichts und hat nichts zum Ziel. Es ist die vollkommene Konzentration auf das Jetzt und hier, ohne störende Ablenkung.
Wie das Nichtstun uns im Alltag helfen kann
Auszeiten des Körpers und des Geistes sind wichtig. In der Regel kommen wir den Bedürfnissen unseres Körpers nach. Wir essen, wenn wir hungrig sind, wir trinken, wenn wir durstig sind, und wir schlafen, wenn wir müde sind. Dass Schlafmangel unsere Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, ist allgemein bekannt, und so gönnt sich jeder halbwegs verantwortungsvolle Student, der im Studium gute Leistungen erzielen möchte, ausreichend Schlaf. Dolch auch der Geist muss zwischendurch die Möglichkeit zur Erholung haben. In den seltensten Fällen gönnen wir ihm dieses. Zwar ruhen wir uns von Arbeit und konzentriertem Lernen zwischendurch aus, doch die meisten neigen dazu, den Geist mit anderweitigen Informationen zu fluten. In der heutigen Zeit ist gerade das Smartphone unser ständiger Begleiter, und so wird zwischen den Lerneinheiten schnell der Weg zu sozialen Plattformen gesucht, E-Mails gecheckt und auf Whatsappp-Nachrichten geantwortet. Und während viele meinen, sich hiermit von dem Arbeitsstress erholt zu haben, ist das Gehirn wenig zur Ruhe gekommen.
Dabei haben Biologen herausgefunden, dass einfach mal nichts zu tun sich positiv auf den Körper auswirkt. Folgenden Auswirkungen sind unmittelbar, oder nach kurzer Zeit zu beobachten:
- die Aktivität der Gehirnwellen verlagsamt sich
- der Blutdruck wird gesenkt und
- die Durchblutung gefördert
- Stress wird abgebaut,
- der Energiehaushalt reguliert und
- das Immunsystem gestärkt.
In den kurzen Momenten des Müßiggangs werden Körper und Geist quasi auf Reset gesetzt.
Da diese kurzen Erholungsphasen sich extrem auf die Leistungsfähigkeit auswirken, ist es mittlerweile regelrechter Trend bei Top Managern geworden, im Laufe des Tages solche Erholungsphasen einzulegen.
Nichts tun heißt in erster Linie, den Geist ruhen zu lassen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Wie lernt man, sich von quälenden Gedanken zu befreien?
Die Gedanken bündeln
Wer mit der hohen Kunst des Nichtstuns noch nicht vertraut ist, wird Schwierigkeiten haben, seine Gedanken in den Griff zu bekommen. Die meisten kennen das: Man sucht sich eine bequeme Position, macht es sich gemütlich und schließt die Augen – und schon beginnt sich das Gedankenkarussel zu drehen. Probleme und Sorgen werden übermächtig, Verdrängtes steigt an die Oberfläche, man sorgt, ärgert sich, überlegt. Vorbei ist es mit der Ruhe des Geistes. Dabei ist es elementar, nichts zu denken.
Der erste Schritt zur Gedankenlosigkeit ist zunächst die Bündelung der vielen Gedanken. Von 100 auf 0 wird der Ungeübte nicht gleich kommen. Also gilt es, langsam abzubremsen. Dabei sollte man zuerst auf alle störenden Faktoren verzichten, Fernseher, Smartphones etc. ausschalten und sich allein auf eine Sache konzentrieren. Dies kann beispielsweise bewusstes Hören eines bestimmten Liedes sein. Sich hierbei nicht nur berieseln lassen, sondern beispielsweise Melodieabfolgen lauschen, dem Text besondere Aufmerksamkeit schenken etc. führt dazu, dass andere Gedanken ausgeschlossen werden. Die Konzentration auf allein einen Gedanken, eine Tätigkeit, ist der erste Schritt, nichts mehr zu denken.
Gedankenlos werden
Wer ein wenig Übung darin besitzt, sich auf einen Gedanken zu konzentrieren, kann sich im nächsten Schritt darin üben, alle Gedanken loszulassen. Hierzu am besten die Augen schließen und versuchen, einfach nichts mehr zu denken. Dies wird am Anfang kaum gelingen und stellt bereits eine höhere Kunst dar. Das macht jedoch nichts. Der Moment der Ruhe ist der erste Schritt, Übung macht den Meister. Wer sich nicht von Gedanken befreien kann, sollte sich einer schönen Fantasie hergeben. Die Vorstellung eines schönen Ortes mit allen Details, das Schwelgen in einer Erinnerung kann ein guter Anfang sein. Wer sich an einen Ort, eine schöne Begebenheit aus der Vergangenheit erinnert, kann im Geiste versuchen, die Atmosphäre nachzuempfinden und sich den Geruch in Erinnerung zu rufen. Wichtig ist hierbei, Probleme und Sorgen sowie generell alle negativen Gedanken nicht zuzulassen.
Bewusstes Atmen
Bewusstes Atmen ist eine grundlegende Praxis der Meditation und erlaubt es, sich allein auf sich selbst zu konzentrieren, ohne dass sich das Gedankenkarussell weiter dreht. Es gibt hierfür verschiedene Atemtechniken. Dazu sollte man sich einen aufrechten, aber bequemen Sitz suchen und sich völlig auf das langsame Ein- und Ausatmen konzentrieren. Zu beobachten, wie die Luft in den Körper einfließt, wie sie den Weg durch den Brustkorb bis in den Bauchraum findet, wie die Rippen sich weiten und wie die Luft schließlich wieder von unten nach oben ausströmt, erlaubt völliges Loslösen von jeglichen anderen Gedanken.
Alternativ kann man die im Yoga praktizierte Wechselatmung ausprobieren, bei der im aufrechten Sitz abwechseln jeweils ein Nasenloch zugehalten wird. Hierzu werden Daumen und Ringfinger links und rechts auf den Nasenrücken angelegt. Mit dem einen Finger schließt man nun das eine Nasenloch und zieht langsam und konzentriert Luft auf der geöffneten Seite ein. Zum Ausatmen löst sich dieser Finger, der andere schließt sich über der anderen Seite, und man stößt die Luft auf dem anderen Nasenloch wieder aus. Solche Techniken bewirken, dass man sich auf das Atmen allein konzentriert und keinen Raum für Ablenkung lässt.
Nichtstun für Fortgeschrittene: das Zazen
Das Zazen stellt die Meditationspraxis der Zen-Lehre dar. Hierzu setzt man sich aufrecht hin und verfällt in völlige Versunkenheit. Zazen bedeutet nichts tun und nichts denken in seiner höchsten Vollkommenheit. Aufkommende Gedanken ziehen unbemerkt vorbei. Wer die Kunst des Zazen beherrscht, kann sich in dieser Haltung völlig losgelöst von Zeit und Raum im Nichtstun aufhalten. Dies erfordert lange Übung und Geduld, wird aber euphorisch oft als Erleuchtung beschrieben, wenn es gelingt.
Weniger spirituell lässt sich sagen, dass die Versunkenheit, die Kunst des Nichtstuns, die beste Möglichkeit ist, den Geist zu erfrischen und energiegeladen wieder in den Alltag zu starten.
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