Ohne Kulturschock ins Auslandsstudium

Abenteuerlust, Neugier, Bildungshunger – das sind meistens die Emotionen, die den Wunsch nach einem Auslandsstudium leiten. Doch was passiert, wenn Sie schließlich vor Ort sind und plötzlich gar keine Freude mehr an allem haben? Dabei wollten Sie doch unbedingt eine Zeitlang ins Ausland!

Wahrscheinlich sind es zunächst ganz normale Anlaufschwierigkeiten, die viele – längst nicht alle! -Menschen in einer neuen Umgebung haben. Sie müssen sich einfach erst eingewöhnen. Wenn die Probleme allerdings auch nach einer längeren Zeitspanne nicht nachlassen, sind hier ein paar Tipps für Sie.

Kulturschock

Schon im Jahr 1951 hat die US-amerikanische Anthropologin Cora DuBois den Begriff Kulturschock geprägt. Damit wird der Gefühlszustand beschrieben, der viele Menschen überkommt, wenn sie sich in einer fremden Umgebung wiederfinden – das kann schon beim Umzug in eine andere deutsche Stadt auftreten. Häufig wirkt dieser sich zunächst wie ein Schock aus.

Symptome

Er entsteht, wenn sich ein Landesfremder zunächst dank der vielen neuen Eindrücke euphorisch fühlt, aber dann sozusagen in ein tiefes Loch fällt. In dieser Phase kommt er sich vor, als sei er fehl am Platz. Das äußert sich in mehreren einfach zu erklärenden Symptomen:

  • Die Psyche muss sich an die vielen neuen Eindrücke gewöhnen und erzeugt dadurch Stress.
  • Man fühlt sich, als ob man Familie, Freunde und Besitz verloren hätte, auch wenn das natürlich nicht stimmt.
  • Die Einheimischen scheinen einen abzulehnen (das stimmt in der Regel ebenfalls nicht).
  • Die eigene Identität wird von einem selber infrage gestellt.
  • Überraschung und Verwirrung kommen auf, weil man nicht mit solch gravierenden Unterschieden gerechnet hat.
  • Man fühlt sich hilflos und verzweifelt, weil man nichts tun kann, um schneller gut zurechtzukommen.

Verschiedene Phasen

Wissenschaftler haben den Kulturschock in verschiedene Phasen eingeteilt: Honeymoon-Phase, Krise, Erholung und Anpassung. In der Honeymoon-Phase ist zunächst alles toll und interessant, während Sie dann nach etwa einer Woche langsam in die Krise rutschen (allerdings nicht unbedingt, sondern nur, wenn Sie dafür anfällig sind). Das hat mit Anpassungsschwierigkeiten und vor allem mit der fremden Sprache zu tun.

Sie finden immer mehr auszusetzen an den Verhaltensweisen der Einheimischen und denken nur noch schlecht über Ihre Umgebung. Die Einstellung, dass zu Hause alles besser ist, hat sich tief in Ihrem Gehirn verankert, und Sie reagieren zynisch auf die fremden Sitten und Gebräuche.

Während der sogenannten Erholung entwickelt sich langsam Verständnis für die ungewohnte Kultur, und bei der Anpassung haben Sie es geschafft, sich so gut wie möglich zu integrieren – unter Umständen übernehmen Sie sogar gewisse Verhaltensweisen und Rituale der Einheimischen.

Andersherum existiert sogar ein “Eigenkultur-Schock”. Der kann auftreten, wenn Sie nach Ihrem Auslandsaufenthalt wieder nach Hause zurückkehren. Dadurch, dass Sie nicht erwarten, sich noch einmal umgewöhnen und reintegrieren zu müssen, können Sie einen weiteren Kulturschock erleiden.

Kulturschock auch in Nachbarländern

Gerade in besonders fremdartigen Kulturen, zum Beispiel in Asien oder Afrika, kommt es häufig zum Kulturschock. Aber auch europäische Nachbarländer können ihn bereits auslösen. Vor allem wenn Sie lange im Ausland bleiben und die Heimreise nicht in Sicht ist, führt das dazu, dass Sie schlecht über Ihr Gastgeberland denken.

Auslöser

Ein Kulturschock besteht aus der Summe der schwer zu verarbeitenden Situationen. Für Mitteleuropäer sind zum Beispiel Lärm, Unsauberkeit und mangelnde Privatsphäre die Hauptauslöser; also dürfte die Nähe eines südländischen Basars mit großzügigem Hygieneverständnis genau das Falsche zum Leben sein.

Sprachprobleme tragen ihr Übriges zum Unwohlsein bei. Sie können sich vielleicht nur schwer verständigen und spüren dadurch eine tiefe Hilflosigkeit und Frust in der fremden Umgebung. Auch das trägt zum Kulturschock bei.

Darüber hinaus kommen Sie unter Umständen auch mit dem Elend in armen Ländern nicht zurecht und können diese ganzen Informationen nicht schnell genug verarbeiten – das bedeutet Stress pur.

Maßnahmen gegen den Kulturschock

Wenn Sie den Kulturschock als solchen erkennen, haben Sie bereits den ersten Schritt in Richtung Bekämpfung gemacht und stärken automatisch Ihre eigene Selbstsicherheit im Umgang damit.

Ganz wichtig ist es, dass Sie sich im Notfall eine Auszeit nehmen. Ziehen Sie sich für ein paar Stunden in Ihr (Hotel-)Zimmer zurück und versuchen Sie, den Kopf wieder frei zu kriegen. Dafür atmen Sie tief durch und entspannen sich.

Versuchen Sie, auch mental in Ihrer neuen Heimat auf Zeit anzukommen. Das bedeutet, nicht ständig mit den Lieben zu Hause zu telefonieren und nicht dauernd die Mails zu checken. Stellen Sie sich mutig und konsequent der neuen Umgebung! Dabei helfen vor allem neue Kontakte mit den Einheimischen.

Mit der Zeit werden Sie feststellen, dass die Menschen ja doch ganz nett sind und die Stadt viele schöne Ecken hat… und vor allem die Kultur, einfach traumhaft! Und schon genießen Sie Ihren Aufenthalt in vollen Zügen.

Heimweh

Jeder von uns kennt wohl Heimweh (Fachbegriff: “Nostalgia”). Dabei handelt es sich um eine große Sehnsucht, wieder zu Hause zu sein, wenn man weiter weg ist. Das Gegenteil davon ist bekanntlich Fernweh, wenn man lieber weit weg als zu Hause wäre – das dürften viele Studenten fühlen, die sich für ein Auslandsstudium entscheiden.

Kein Zeichen von Schwäche

Der Begriff Heimweh entstand im 17. Jahrhundert in der Schweiz und kam erst zu Zeiten der Romantik im 19. Jahrhundert nach Deutschland. Heute gibt es unzählige Lieder und Filme, die von Heimweh handeln, und fast jeder hat es selber schon einmal durchgemacht.

Dabei hat Heimweh nichts mit mangelnder Stärke zu tun und macht Sie nicht direkt zum Weichei. Es ist eine normale Reaktion des Körpers und tritt oft im Rahmen des Kulturschocks auf (s. o.) – zum Beispiel beim Studienbeginn in einer fremden Stadt.

Ausprägungen

Wenn Sie Heimweh haben, sehnen Sie sich vor allem nach Gemeinschaft beim aufkommenden Gefühl von Einsamkeit – beispielsweise in einer großen fremden Stadt. Vor allem in psychischen Krisen tritt das Gefühl umso stärker auf und Sie trauern dem Verlust der vertrauten Umgebung nach.

Auch nach der vergangenen Kindheit kann man Heimweh haben. Es ist häufig der Fall, dass man eine Sehnsucht nach dem entwickelt, was gerade nicht zur Verfügung steht oder unmöglich zu erreichen ist.

Gerade jetzt nach der Bologna-Reform ist es für Studenten wichtig, extrem flexibel zu sein. Viele müssen Bachelor und Master an verschiedenen Unis absolvieren und vielleicht in der Zwischenzeit noch ein Auslandssemester einlegen. Unter diesen Umständen ist es ganz normal, dass Heimweh aufkommen kann: Sobald Sie sich an einen neuen Ort gewöhnt haben, müssen Sie schon wieder umziehen und Ihr soziales Umfeld verlassen.

Dabei ist es ganz wichtig, dass man sich zu Hause fühlt, denn nur wer sich wohl fühlt, kann auch erfolgreich studieren. Aber Anlaufschwierigkeiten sind zunächst einmal ganz normal.

Was tun gegen Heimweh?

Meistens stellt es sich als Fehler heraus, so oft wie möglich nach Hause zu fahren. Geben Sie der neuen Umgebung eine Chance, sonst lernen Sie sie nicht kennen. Natürlich können Sie jederzeit Kontakt zu Ihren Lieben aufnehmen, aber vielleicht nicht ganz so oft.

Auch das Führen eines Tagebuchs kann helfen, denn auf diese Weise führen Sie sich vor Augen, was Sie alles erleben und dass Sie diese Erfahrungen nicht machen würden, wenn Sie zu Hause geblieben wären.

Lernen Sie neue Leute kennen und bauen Sie sich ein soziales Umfeld auf. Das bedeutet ja nicht automatisch, dass Sie Ihre altbekannten Leute im Stich lassen. Je mehr Sie einfach nur in Ihrem Zimmer hocken, desto eher fällt Ihnen die Decke auf den Kopf.

Und verzweifeln Sie nicht: Heimweh ist ganz normal und lässt auch wieder nach – kein Grund, das Studium oder Auslandssemester zu schmeißen! Sollte es allerdings so schlimm werden, dass Sie konkrete körperliche oder psychische Beschwerden entwickeln, die nicht weggehen wollen, überlegen Sie sich doch besser, nach Hause zurückzukehren.

Weiterführende Links

spiegel.de – Artikelsammlung zum Thema Kulturschock

Fabian Köhler

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